Spiel ’23: Im Brettspiel-Paradies

Vorbei. Einmal mehr. Vier Tage lang spielen. Miteinander, bei kooperativen Spielen – aber auch gegeneinander, bei verschiedenen Würfel- und Kartenspielen. Mehr als 1700 Neuheiten bot die diesjährige Spiel Essen. Es gab nicht ansatzweise die Chance, alles anzuschauen.

Aber das ist in der Regel auch nicht nötig. Denn jeder hat seine persönlichen Präferenzen. Der mag tiefgehende Expertenspiele, während der der andere schnelle Kartenspiele schätzt. Auch wir mussten uns entscheiden, welche Spiele Priorität haben sollen. Ab Ende standen 78 Aussteller als Favoriten in der App. Um es vorwegzunehmen: Wir haben nicht alle geschafft.  Um 10 Uhr mussten wir ohnehin in Deckung gehen. Die Brettspiel-Fans an den Eingängen Ost, Süd und West schwappten wie große Wellen in die Hallen.

Triad GerhardsUnser erster Weg führt traditionell zum Stand von Gerhards Spiel & Design, die trotz geänderter Hallenpläne an alter Stelle in Halle 3 zu finden waren. Die Westerwälder präsentierten fünf Neuheiten, drei davon haben wir ausprobiert: „Flügelrad“, ein Zwei-Personen-Spiel, dass mit einem besonders für Holzspiele innovativem Mechanismus überzeugt; Triad, ein Stratgiespiel, bei dem nach speziellen Vorgaben Dreiergruppen aus Würfeln gebildet werden müssen; und schließlich das Mini-Spiel WanTu, bei dem echtes Umdenken angesagt ist. Denn es gilt, dafür zu sorgen, dass der Gegner noch ziehen kann – im Gegensatz zu manch anderem Spiel, bei dem es darum geht, den Gegner im wahrsten Wortsinn matt zu setzen. Wer am Ende keinen Steine austauschen kann, hat verloren. Alle drei Spiele haben uns auf ihre Art begeistert. „Flügelrad“ sticht sicherlich aufgrund seines speziellen Mechanismus‘ noch einmal besonders hervor – ein Spiel, das bei uns definitiv häufiger auf dem Spieltisch landen wird. Das Spiel hat es auch in Mr. Meeples Top 3 der Messe geschafft.

Variables Tetris auf dem Spielbrett

Auch bei Smartgames gab es zahlreiche Neuheiten zu testen – wenn auch kein Tetris im klassischen Sinn. Dafür aber ein Spiel, dass mit Tetris-ähnlichen Bauteilen arbeitet, die auf einem Spielbrett arrangiert werden müssen: Genius Square. Natürlich nicht einfach so. Das wäre für die Verhältnisse von Smartgames wirklich zu einfach. Dessen muss erst einmal gewinnen und die entsprechenden Felder dem Spielbrett blockiert werden. Gleichzeitig versuchen die Spieler nun, alle Spielsteine auf dem Brett zu platzieren, um die Blocksteine herum. Der schnellere Spieler gewinnt. Es gibt mehr als 60.000 mögliche Kombinationen und alle lassen sich lösen. Eine zweite Neuheit, die bereits im Sommer erschienen ist, ist das Spiel „Alles für die Katz“, das aufgrund seiner niedlichen Aufmachung nicht nur Kinder und Katzenfreunde begeistern dürfte. Die Aufgaben geben vor, wie die Katzen auf dem Spielbrett platziert werden. Dann gilt es, die Spielsteine so einzusetzen, dass jede Katze an ihrem liebsten Ort ist: in einem Karton. Zwei weitere Neuheiten, der „Criss Cross Cube“ und der „IQ Perplex“ gehören in diesem Jahre zu den anspruchsvollsten Neuheiten des belgischen Verlags. Vor allem letzteres weckte bei uns den Ehrgeiz, spontan eine Aufgabe der höheren Stufe lösen zu wollen (und daran aus Zeitgründen zu scheitern – es sei denn wir wären bis 19 Uhr am Stand geblieben).

Luftlinie 25 Meter weiter fand sich – ebenfalls in Halle 5 – der Messestand von HCM Kinzel, einem Verlag, der ebenfalls viel Erfahrung mit Logikspielen hat und auch in diesem Jahr wieder eines davon als Neuheit im Gepäck: „By the book“. Es gilt, nach speziellen Vorgaben ein Bücherregal aufzubauen, in dem ab und an auch eine Katze kuschelt (Katzen scheinen in diesem Jahr ein Thema zu sein…). Das Spiel bietet 40 Aufgaben und eine kleine Wasserwaage, mit der sich prüfen lässt, ob das Regal korrekt und gerade aufgebaut wurde. Von der süßen Seite zeigte sich eine zweite Neuheit, „Gumminis“ von  Marco Teubner. Das Spiel dreht sich um kleine Zuckermonster, die sich mit süßen Früchten locken lassen. Die Spieler müssen die Gumminis sammeln, indem sie sie entweder hervor locken oder mit der Feder aus der Zuckerdose herauskitzeln. Wer am Ende die meisten zahmen Zuckermonster hat, gewinnt. Und damit das Spiel nicht allzu schnell langweilig wird, gibt es einen erweiterten Modus mit exotischen Gumminis, die als Bonus für bestimmte Belohnungen im Spiel eingesetzt werden können.

Lange Schlangen vor den Foodtrucks

Zeit für eine kurze Mittagspause, also ab in die Galeria. Lange Schlangen vor den Fosstrucks sorgetn bei uns für lange Gesichter – anstellen würde den Zeitplan komplett sprengen. Also doch nur ein Snack auf die Hand. Crêpes mit Zimt-Zucker sind ja auch immer lecker.

Zurück in Halle 6 stand eine Runde „Packeis am Pol“ bei Plan B auf dem Programm. Auf zur fröhlichen Fischjagd und dabei natürlich immer ein My schneller sein, als die Mitspieler. Dabei muss man allerdings wachsam bleiben, denn das Eis schwindet und manch allzu unvorsichtiger Pinguin findet sich auf einer winzigen Eisscholle wieder. Ups…. „Packeis am Pol“ ist eine Neuauflage mit verbessertem Spielmaterial. Neue Ozean-Platten stellen sicher, dass die Eisschollen an ihrem Platz bleiben und einfacher eingesammelt werden können. Das taktische Familienspiel besticht nicht nur durch Kurzweil und Spielvergnügen, sondern auch durch liebevolles Spielmaterial, zum dem ein Schwung süßer Pinguine gehört.

Go Slow LogisAm Stand von Logis wagten wir uns in die Welt der Spiele für jüngere Kinder. Und was sollen wir sagen: Da wird man gern wieder Kind. Liebevoll illustriert, schöne Optik und Haptik, süße Spielideen, die Kinder fordern, aber nicht überfordern und immer eine kleine Geschichte dazu. Bei „Quicky Quack“ (ab 3 Jahren) müssen die Entenküken ihrer Mama ins Wasser folgen. Und zwar bevor die Sonne hinter den Wolken verschwindet. Wann sich die Sonne und wann die Entchen bewegen, entscheidet der Würfel. In unserer Partie sind alle Küken samt Mama im Teich gelandet. Glück gehabt. Bei „Multi City“ bauen die Spieler gemeinsam eine Stadt auf einem Spielbrett, das erst während des Spiels entsteht. Die Spielsteine haben unterschiedliche Länge und müssen passend platziert werden. Dafür werden nach und nach Karten an den Spielbereich angelegt. Hat man Pech, ist die eigene Planung schnell dahin, wenn die angelegte Karte auch für die Mitspieler passt. Am Ende gewinnt, wer zuerst seine Spielsteine in der Stadt verbaut hat. Das Spiel ist ab fünf Jahren, bietet aber – vor allem wenn schon ältere Kinder mitspielen – eine gute Möglichkeit, erstes Taktieren zu üben.

Auf der Suche nach herausfordernden Spielen führt uns der Weg immer auch zu biwo Spiele. In diesem Jahr hatte der Verlag als Neuheit „Swop“ im Gepäck. Das Spiel basiert auf einer bunten Würfelauslage, in der zwei Spieler abwechselnd versuchen, möglichst lange Kombinationsketen zu bilden. Entweder aus gleichen Augenzahlen oder aus aufsteigenden. Da ist Konzentration gefragt, nur allzu schnell verschwimmen die zahlreichen Würfelaugen vor den eigenen Augen. Wem das nicht Heruasforderung genug ist, für den gibt es eine schwierige Variante: Vor dem Spiel wird mit kleinen Holzwürfeln festgelegt, welcher Spieler ausschließlich welche Würfelfarben nutzen darf. „Swop“ ist  ein Spiel, für das man einen wachen Kopf braucht – also nicht unbedingt vor dem ersten Kaffee spielen.

Ab in fast unbekannte Gewässer

Den Freitag haben wir überwiegend in den Hallen 1 und 2 sowie teilweise noch einmal in Halle 3 verbracht – das ist insoweit erwähnenswert, als diese Hallen aufgrund der neuen Aufteilung für uns eigentlich eher weniger ins Portfolio passen Spiele zu bieten hatten. Dennoch haben wir auch hier ein paar kleinere Schätzchen gefunden. Eine Neuheit von Osprey Games, „Sankoré: The Pride of Mansa Musa“, ist ein dynamisches, interaktives, mittelschweres Eurospiel für ein bis vier Spieler, das den Aufstieg der angesehenen Universität von Sankoré im Timbuktu des 14. Jahrhunderts nachstellt. Vor Ort war seit dem Version spielbar, wenn man sich denn vorab einen Timeslot gesichert hatte – hatten wir nicht, aber das Zuschauen machte ebenso Spaß. Das Spiel besticht mit wunderschön illustriertem, wertigem Spielmaterial und einer tollen Geschichte. Das hat seinen Preis: 90 Euro soll es kosten und im Dezember erscheinen.

Halle 2 war für uns nicht ganz so fremdes Land, wie Halle eins – denn auch hier gab es wieder Familienspiele. So vom moses Verlag. Neben einigen neuen Varianten der beliebten „black stories“ und verschiedene Quizspiele hatte der Verlag zwei Neuheiten im Gepäck, die uns besonders interessierten: „Würfelzucker“ und „Lucky Beach“. Das mag daran liegen, dass wir sowohl süßes, als auch das Meer besonders gern mögen. „Würfelzucker“ ist, wie passend, ein klassisches Würfelspiel. Es geht darum, die besten Süßigkeiten zu erwürfeln. Reihum würfeln alle, um die ausliegenden Würfelaufgaben zu erfüllen. Gefragt sind beispielsweise ein Pasch oder ein Full House. Wer die Würfelaufgaben am besten löst, kann Mitspieler verdrängen. Mit etwas Würfelglück und Jokern gibt es noch mehr Punkte. Der leichte Spieleinstieg sorgt dabei für direkten Spielspaß.

Zurück in Halle 5 und 6

Am Samstag waren wir dann wieder in den Halle 5 und 6 unterwegs. Denn dort gab es immer noch viel zu entdecken. Streng genommen zu viel. Am Stand von Huch! nutzten wir spontan die Gelegenheit, das herbstlich anmutende Spiel „Vernusst noch mal“ anzuschauen. Dabei müssen die Spieler den Eichhörnchen helfen, ihre Wintervorräte wiederzufinden. Dafür müssen Farben und Formen (Pilz, Blatt, Stein) richtig zugeordnet werden. Klingt erst einmal einfach. Allerdings ändern sich diese Vorgaben mit jeder gewonnenen Nuss. Wer zuerst fünf Nüsse gefunden hat, gewinnt. Ein schönes Familienspiel, dass sich aufgrund seiner nicht allzu langen Spieldauer von zehn bis 15 Minuten auch gut für zwischendurch eignet.

Richtig viel gelacht haben wir bei einer Partie „Arschmallows“ bei den Denkriesen. Wer glaubt, er wäre gut im Memory, wird bei diesem Spiel definitiv eines Besseren belehrt. Und dabei muss man sich doch eigentlich nur ein paar Karten der eigenen verdeckten Auslage merken – und der Auslagen der Gegner. Eigentlich? Nur? Von wegen. Irgendwie funktioniert das mit dem Merken so überhaupt nicht. Hinzukommt die drollige Illustration des Spiels, auf allen Karten finden sich sehr Hinterteil-betonte Marshmallows in verschiedenen Röststufen. Die am wenigsten verbrannten bringen am wenigsten Punkte und das ist auch das Ziel des Ganzen. An der Illustration dürften sich aber auch die Geister scheiden. Was der eine witzig findet, ist dem anderen zu anstößig.  Aber über Geschmack (speziell den von Marshmallows) lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.

Noch einmal ein ganz anderes Spiel erwartet Musik-Fans bei Jumbo. Der Spiele-Hit aus dem Vorjahr, „Hitster“, hat Zuwachs bekommen. „Hitster Schlager-Party“. Mittels Spotify-App gilt es, Musiktitel in die korrekte Reihenfolge zu bringen, sortiert nach Erscheinungsjahr. Das Spiel ist keine Erweiterung im klassischen Sinn und lässt sich sowohl ohne "Hitster" spielen, als auch kombiniert mit der Grundvariante.

Soweit unser Überblick über einige wenige der zahlreichen Neuheiten. Es war einmal mehr eine wunderbare Messe, auch, wenn die neue Hallenaufteilung zunächst gewöhnungsbedürftig war (dazu gibt es hier einen Kommentar von Mr. Meeple). Wir freuen uns schon jetzt auf das kommende Jahr.


Save the Date: Die nächsten Internationalen Spieltage Spiel '23 finden vom 3. bis 6. Oktober in der Messe Essen statt.

Eine Bildergalerie von Neuheitenschau und Messe gibt es auf dieser Seite.

Hier lest Ihr alles über Mr. Meeples Highlights auf der Messe.

Fotos: © Redaktion Spieledorf

  • Spielend für Toleranz
    Nein zu Intoleranz – egal in welcher Form. Die Spieledorf-Redaktion freut sich, die Initiative „Spielend für Toleranz“ zu unterstützen. An dieser Stelle erfahrt Ihr, warum uns das ein großes Anliegen ist.

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